Agroforstwirtschaft, Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssicherheit

Was passiert, wenn Bäume auf einen Acker gepflanzt werden?

Sie schlagen Wurzeln. Das klingt ersteinmal trivial – jedoch hat das Wurzelwerk der Bäume oder Gehölze in einer Agroforststruktur vielfältige positive Wirkungen.

Erkennen lässt sich das z. B. in regenreichen Zeiten daran, dass es weniger großflächige Pfützen gibt. Das Wasser wird vom Boden besser aufgenommen und eine größere Menge davon ist für den Acker verfügbar.

Agroforstwirtschaft bedeutet ganz allgemein, auf systematische Weise Bäumen, Gehölze oder sogar Weinreben in landwirtschaftliche Nutzflächen zu integrieren. Dabei geht es nicht um die eine stattliche Eiche in der Mitte des Ackers, sondern Baumreihen, Rebzeilen oder Hecken und andere Gehölze. Die GAP-Direktzahlungen-Verordnung (GAPDZV) etwa verlangt für die Anerkennung als Aggroforstsystem mindestens zwei Gehölzstreifen oder bei verstreut über die Fläche angeordneten Gehölzpflanzen muss eine Anzahl zwischen 50 und 200 Stück je Hektar.

 

Feld mit Agroforstkultur
Feld ohne Agroforstkultur

Das Wurzelwerk der Bäume oder anderer Gehölze gewinnt Nährstoffe aus tieferen Schichten als die benachbarten Kulturpflanzen (häufig Getreide). Zudem kommt es zu positiven Wechselwirkungen.

Die Wurzeln speichern genau wie der oberirdische Teil der Bäume oder Gehölze Kohlenstoff, womit wir bereits bei einer der wichtigsten Umweltleistungen sind:

Dass Wälder als großflächige Ansammlungen von Bäumen Kohlenstoffsenken sind, ist allgemein bekannt. Wenn Agroforstwirtschaft als Landnutungsmethode zukünftig an Relevanz gewinnt, gibt es große Potentiale für den Klimaschutz.

Klima

Agroforstsysteme binden Kohlenstoff durch oberirdische (Bäume, Gehölze, Hecken) und unterirdische Biomasse (Humus, Wurzeln).

Wenn wir annehmen, 50% aller landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland wären Agroforstsysteme, ließen sich auf diese Weise gemäß einer vorsichtigen Schätzung 3,5 Mio. t CO2-Äquivalente pro Jahr binden. Das entspricht den Emissionen von über 750.000 Autos.

Das ist jedoch nicht die einizige positive Klimawirkung von Agroforstsystemen.

Landwirtschaftliche Lachgasemissionen durch Stickstoffdüngung richten etwa so viel Klimaschaden an, wie die Methan-Emissionen aus der Verdauung von Wiederkäuern. Beides sind deutschlandweit ca. 25 Mio. t CO2-Äquivalente. In Agroforstsystemen findet Humusaufbau in großem Umfang statt, was weitaus weniger Dünger erforderlichlich macht. So kann Agroforstwirtschaft groß gedacht zukünftig erhebliche CO2-Emissionen einsparen.

Grundsätzlich können Agroforstsysteme in vielen verschiedenen Varianten und nach ganz unterschiedlichen und standortspezifischen Bedürfnissen angelegt sein. Und auch wenn die Forschung und Praxis in Zukunft sehr viel mehr Studien, Informationen und Erkenntnisse hervorbringen werden:  Es lassen sich schon heute einige allgemeine Aussagen treffen, die der gegenwärtige Forschungsstand zulässt.

Artenvielfalt / Biodiversität

Agroforstwirtschaft ist eine hervorragende Maßnahme gegen das Artensterben.

Bienen und andere Insekten bestäuben etwa ein Drittel unserer Nahrungspflanzen wie Obst, Gemüse und Nüsse. Ohne diese Bestäubungsleistung würde sich die Mahrungsmittelvielfalt massiv verringern und das Angebot ziemlich knapp werden. Hier und hier lässt sich mehr darüber erfahren.

Bäume auf dem Acker, idealerweise in Verbindung mit Blühstreifen am Boden, bieten Lebensraum für nützliche Insekten und Vögel. Im Zusammenspiel mit weiteren Agroforstflächen wird zudem die Vernetzung dieser Lebensräume und damit die Verbreitung der Populationen möglich.

Da Baumstreifen auf den Äckern vor Wind und Erosion schützen, profitieren auch nachweisbar auch die nützlichen Insekten, wie hier zu lesen ist. Agroforstwirtschaft kann also eine wichtige – sogar eine sehr wichtige – Säule im Kampf gegen die Biodiversitätskrise auf unserem Planten sein!

Wasserressourcen & Böden

Mit Agroforstwirtschaft bleibt das Wasser dort, wo es gebraucht wird.

Bäume schützen die Äcker vor übermäßiger Verdunstung in trockenen Jahren. Bei einem Versuch in Brandenburg etwa verdunstete in der Agroforststruktur im Vergleich zu vorher 20-40 % weniger Wasser. So lässt ich künstliche Bewässerung reduzieren und natürliches Wasser besser im Kreislauf halten.

Die Durchwurzelung der Böden in Agroforstsystemen machen sie aufnahmefähig für Regenwasser, sodass ein effizientes natürliches Wassermenegement entsteht.

Grundwasserschutz

In einer Agroforststruktur gelangt 30-50% weniger Nitrat ins Grundwasser, weil es durch die Bäume aufgenommen wird.

Die Nitratspeicherung der Bäume hat wiedereum eine positive Klimawirkung, denn durch die Nitratspeicherung der Bäume wird weniger Treibhausgas freigesetzt. Mehr dazu kannst du hier erfahren.

Agroforstwirtschaft und Ernährungssicherheit

Die Frage nach globaler Ernährunssicherheit sollte bei der Diskussion um die Transformation landwirtschaftlicher Praxis nicht ausgeklammert werden, sondern von entscheidender Bedeutung sein. Tatsache, ist eben auch, dass in einer Agroforststruktur die Baumreihen 10-20% der Ackerfläche einnehmen.

Hier einige Überlegungen dazu:

  • In Agroforstsystemen steigt die Flächenproduktivität. Einfaches Beispiel: Wenn ein Getreidefeld und eine Apfelplantage nebeneinander stehen, wird es in der Summe meist weniger Ertrag geben, als kombiniert  im Agroforstsystem auf gleicher Fläche.
  • Ein Ziel und Effekt der Agroforstwirtschaft ist die Resilienz der Flächen, was auf lange Sicht Ernteausfälle reduziert, insbesondere angesichts der klimatischen Herausforderungen kommender Jahrzehnte.
  • Unbestritten ist die Notwendigkeit innovativer Landnutzungsformen für die Zukunft. Hier bietet die Agroforstwirtschaft in ihrer Vielfalt und mit wissenschaftlicher Begleitung viel Potential.
  • Gerade in Deutschland  und Europa ist die Agroforstwirtschaft in einer Pionierphase, und auch hier erst am Anfang. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, sie bekannt zu machen und zu fördern!
  • Und natürlich soll Agroforstwirtschaft nur dort, implementiert werden, wo es sinnvoll ist und nicht in Konflikt mit anderen Zielen der Biodiversität, Ernährungssicherheit etc. steht.

Es lässt sich also feststellen, dass Agroforstwirtschaft gerade jetzt Impulse benötigt und richtig angewandt ein wichtiger Baustein zukünftiger – nein, auch gegenwärtiger – Landwirtschaft sein sollte. Denn überall, wo Agroforstwirtschaft entsteht, entstehen Inseln biologischer Vielfalt und Kohlenstoffsenken, dazu wird Wasser wird besser nutzbar und die Acker- oder Weidefläche bleibt durch fruchtbare und resiliente Böden zukunftsfähig!

Vielfätig & nachhaltig: Die Formen der Agroforstwirtschaft

Baumreihen auf dem Acker sind als silvorarable Systeme eine häufige, aber nicht die einzige Form der Agroforstwirtschaft – Agroforstsysteme sind äußerst vielfältig und in ihrer Gestaltung in der Grundform und Detail immer vom Standort abhängig.

Silvopastorale Systeme sind zum Besispiel Weideflächen für Rinder oder Auslaufflächen für Geflügel und Hausschweine integrieren Tierhaltung mit Gehölzen und tragen ganz nebenbei durch Schatten und Auslauf zum Tierwohl bei. Diese Agroforstsysteme zeichnen sich meist durch auf der Fläche verteilte Bäume aus. Agrosilvopastorale Systeme kombinieren Acker, Gehölze und Tierhaltung.

Im Weinbau gibt es verschiedene Varianten der Agroforstwirtschaft. Hier können die Weinreben als Gehölze auf ein Getreidefeld gepflanzt werden, genau so können aber auch Weinreben mit Baumreihen kombiniert werden.

Agroforstwirtschaft?

Systematisch angelegte Bäume auf Äckern verbinden produktive Landwirtschaft mit einer erstaunlichen Zunahme an biologischer Vielfalt, Klimaschutz, Boden- und Wasserqualität.

Agroforstwirtschaft zeichnet sich durch Mischkulturen landwirtschaftlicher Flächen mit einer Mindestanzahl an Bäumen aus. Es geht also nicht um die Eiche auf dem Acker, sondern strukturiert angelegte Baumreihen.

Erstaunliche Umweltleistungen

Bäume auf Feldern, Äckern und Weiden sind weit mehr als Schadensbegrenzung in der Landwirtschaft. Agroforstwirtschaft und AgriTrees stehen für

  • Biodiversitätsinseln durch und in Baumstreifen für mehr Artenvielfalt – und damit auch für die Vernetzung von Lebensräumen wichtiger Insekten und anderer Arten
  • Kohlenstoffbindung durch Bäume, Wurzelwerk und Humusaufbau – und zusätzlich Reduktion schädlicher Emissionen durch die vielen positiven Wechselwirkungen der Agroforstwirtschaft
  • positive Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität
  • eine sehr viel höhere Bodenqualität, etwa durch Wurzelwerk und zusätzliche Biomasse.
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